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Reise durch eine Bananenrepublik

Ich verlasse meinen Wohnort auf der Bundesstraße, die buchstäblich unter den Rädern zerbröselt. Der Straßenrand ist gesäumt von üppigem Grün, das die Leitpfosten schon lange verschlungen hat – gemäht wurde dieses Jahr noch nichts. Ich erreiche die Großstadt, erkenne sie aber nicht gleich: Der große Stadtpark gleicht einem Naturschutzgebiet – die Vegetation darf hier wild wuchern wie es ihr beliebt. Auch das gefürchtete Ambrosia kann sich so zügig weiterverbreiten. Also nichts wie weg, schnell ab auf die Autobahn. Das Schild „Tempolimit 130“ mit dem Zusatz „Straßenschäden“ am Ende der Auffahrt gehört mittlerweile zum deutschen Straßenbild und das wird auch so bleiben: Der Warnhinweis wurde nicht provisorisch errichtet sondern dauerhaft einbetoniert. Es geht sowieso nicht weiter, Megastraßenschaden. Eine von den sommerlichen Temperaturen aufgesprengte Beton-Fahrbahn erzwingt eine Rast. Auf dem Autobahnparkplatz machen die Picknicktische einen mehr als traurigen Eindruck: Der dunkelgrüne Lack ist schon vor längerer Zeit abgeplatzt, rostiges Metall lädt nun mit warmen Orangetönen zum Verweilen ein.

Am besten wird sein, man lässt das Auto stehen und setzt die Reise in der Bahn fort. Doch das Eintreffen des Zuges wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Als Begründung wird verkündet, es sei heute so warm, dass die Klimaanlagen die Züge nicht mehr ausreichend kühlen können. Das Thermometer zeigt 37°C. Mit solch extremen Temperaturen rechnen deutsche Ingenieure – der Klimaerwärmung zum Trotz – offensichtlich nicht. Ein Ersatzzug sorgt dafür, dass die Reise mit einer zweieinhalbstündigen Verspätung fortgesetzt werden kann. Entschädigung darf man allerdings nicht erwarten, warme Luft aus Afrike ist definitiv höhere Gewalt.

Es geht von Berlin über Hamburg nach Stuttgart – Städte, die als Belege für den Niedergang deutscher Tugenden gelten könnten. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, straffe Organisation, gute Planung – daran dachte alle Welt früher einmal, wenn von Deutschland die Rede war. Aber früher gab es auch noch die D-Mark. Und damals hätte man sich bestimmt besser überlegt, ob man für 1,4 Milliarden D-Mark ein Elb-Musikhaus bauen möchte, das in nur 30 Jahren auf dem Grund der Nordsee liegen könnte. 800 Millionen Euro klingt vermutlich einfach nicht gewaltig genug. Atlantis soll ja auch sehr prachtvoll gewesen sein.

Wer den Anblick von Verschwendung und Kungelei aus dem Zugfenster nicht erträgt sollte in Erwägung ziehen, für die nächste Reise ein Fluggerät zu benutzen. Am besten eine Drohe, denn da kann sich absolut sicher sein, das Elend gar nicht erst zu Gesicht zu bekommen. Schließlich müssen derartige Fluggeräte in Deutschland am Boden bleiben.

Man bemüht sich also um eine alternative Reisemöglichkeit – am besten im Internet. Die Webseite lädt eine gute Weile denn sie hat Bilder. Die tropfen nun Bit für Bit aus der Leitung und während der Ladezeit beschleichen einen Gedanken, dass selbst breitbandige Versprechen in Deutschland nichts mehr wert sein können. Würde man in Rumänien oder in der Türkei leben, wären die Daten dank gut ausgebauter Glasfaserleitungen viel schneller verfügbar. Aber mit solchen Datenleitungen ausgestattet zu sein wäre nicht gut für die Deutschen, schließlich würden sie damit auch mehr Daten verschicken und empfangen. Dann hätten Briten und Amerikaner noch mehr von uns zu lesen. So, Kupfer sei Dank, hat die Mutti der Nation nun aber gut lächeln und kann all ihren internationalen Freunden auf die Schultern klopfen: „Amigos, bei uns geht sowieso alles den Bach runter, es dürfen also gerne auch ein paar Milliarden mehr sein – für eure bedürftigen Großanleger.“

Von all diesen Dingen bekommt die hochbetagte Dame mit dem Buckel im Supermarkt nichts mit. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, ihre Cent-Stücken zu zählen um zu schauen, ob sie sich diese Woche vielleicht noch Wurst leisten kann. Da ist es vielleicht wirklich eine gute Idee, die ein und zwei Cent-Stücken gleich ganz abzuschaffen. Schließlich hat Oma schon lange genug gebuckelt, da muss sie sich heute nicht auch noch an dem Kleingeld abschleppen. Sie stellt das Stille Wasser zurück ins Regal und greift zu Punica – da für diese PET-Flasche kein Einwegpfand erhoben wird, reicht es nun auch noch für ein Wurstpaket. Aber weil die 410 Euro ihrer Rente heute, am 17. des Monats, vollends ausgegeben sein werden, kann sie sich eines nicht mehr leisten: Bananen.

Und das, obwohl Deutschland zusehends zur Bananenrepublik verkommt.

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